HCM

Katzenherzen
Die hypertrophe Kardiomyopathie (HKM,HCM) ist die häufigste Herzerkrankung der Katze. Sie ist eine erworbene Herzerkrankung, die aber genetisch bedingt ist. Dr. Jan-Gerd Kresken berichtet über den aktuellen Stand zur Diagnostik der HCM der Katze und geht der Frage nach, was vier Jahre Gentest gebracht haben.
(Quelle: hundkatzepferd 03/10)

Die HCM tritt meistens erst auf, wenn sich die Katzen bereits im Zuchteinsatz befinden. In der veterinärmedizinischen Kardiologie gibt es verschiedene Möglichkeiten, die HCM bei der Katze zu diagnostizieren. Neben den klassischen Verfahren wie Auskultation, Röntgen, EKG hat sich die Echokardiografie mit ihren verschiedenen technischen Möglichkeiten, angefangen von hochauflösenden
zwei-dimensionalen Bildern des Herzmuskels über Dopplerverfahren bis hin zu Gewebedoppler und Strain-Analysen als Goldstandard etabliert.

Genetische Untersuchung
Diese klassischen Verfahren zur Diagnostik der HCM wurden Anfang 2006 um die genetische Analyse erweitert. Ausgang der Forschung nach dem ursächlichen Gen der HCM war die Arbeit von Dr. Kittleson, der
1999 eine autosomal dominante Vererbung der HCM bei der Maine Coon mit 100%iger Penetranz postulierte. Die amerikanischen Kardiologen Dr. Meurs und Dr. Kittleson fanden im Jahr 2005 die sog. A31P-Mutation
(Gen I) im MYBPC3-Gen in ihrer amerikanischen Maine Coon- Population. Im Jahr 2007 fanden Nyberg und Kollegen eine weitere Punktmutation A74T (Gen II, Koch- Gen) im Kodon 74 des kardialen MYBPC3- Gens. Ebenfalls 2007 fand Dr. Meurs bei Ragdoll-Katzen mittels DNA-Sequenzierung eine Punktmutation im Kodon 820 des kardialen MYBPC3. Es handelte sich um eine kleine Gruppe von 21 Ragdoll mit der phänotypischen
Diagnose HCM.

Fakten zum Stand der Dinge in der genetischen Untersuchung auf HCM bei der Katze

Erbgang
- Autosomal dominanter Erbgang nachgewiesen oder vermutet:
• Maine Coon
• American Short Hair
• British Shorthair
- Rassedispositionen bestehen bei:
• Maine Coon
• American und British Shorthair
• Norwegische und Sibirische Waldkatze
• Perser
• Ragdolls
• Burmesen
• Türkish Van
• Scottish Fold
• Sphynx

Genmutationen
- Bei der Katze wurden auf einem Gen (kardiales MYBPC3) nur drei Mutationen beschrieben:
• A31P
• A74T
• R820W

Häufigkeit der Genmutationen in verschiedenen Ländern
Die Studien von Dr. Kathryn Meurs, Washington State University, zeigen, dass 33,6 % der Maine Coon-Population in den USA Träger einer A31P-Mutation sind. In einer Studie unserer Arbeitsgruppe Kardiologie in der DKG-DVG von 2007 wurde ermittelt, dass 30 % von 119 herzgesunden Maine Coon-Katzen Gentest positiv für den A31P-SNP waren. Eine gerade erschienene Arbeit der University of Bristol zeigte eine Prävalenz des A31P bei 193 Maine Coon und des R820W bei 898 Ragdoll-Katzen, die in beiden Katzenrassen bei 30 % lag.
Das bedeutet, dass die Genmutation bei jeder dritten Maine Coon (A31P) oder Ragdoll (R820W) vorliegt.

Merke: Das Vorliegen einer Mutation bei einer Katze bedeutet aber nicht automatisch, dass sie auch an einer HCM erkranken wird!
Schon einige Monate nach Markteinführung des ersten Gentests und der großen Anfangseuphorie kamen berechtigte Zweifel n der Voraussagekraft des Gentests auf.

Verhältnis von HCM-Genotyp zu Phänotyp: „Da stimmt etwas nicht.“

Hierfür gibt es zwei Gründe
-Katzen mit homozygotem Testergebnis (HCM/HCM) leben!? Dr. Kittleson hatte einen autosomal dominanten Erbgang mit 100%iger Penetranz beschrieben. Ein Beweis dafür waren die 33 % tot geborener Kitten, die er als homozygot vermutete. Insgesamt waren 45 % der Katzen seiner Population an HCM erkrankt, von denen er annahm, sie seien folglich genetisch heterozygot. Die Ergebnisse innerhalb dieser Katzenfamilie waren schlüssig. Nach Einführung des Gentests gab es plötzlich homozygote HCM-Katzen, die lebten! Schon diese einfache Tatsache lässt den Rückschluss zu, dass das Gen bei diesen Katzen keine 100%ige Penetranz oder ausreichende Expressivität besitzen kann. Genetisch negative Katzen (N/N) sind im Ultraschall sichtbar erkrankt! In den vier Jahren sahen wir regelmäßig phänotypisch erkrankte Maine Coon- Katzen, die auf beide bekannten Gene negativ getestet waren. Eine neuere bemerkenswerte Publikation von Frau Schinner aus dem Jahre 2008 belegt den Zweifel an dem Wert der HCMGentests für hiesige Katzen.

A31P (Gen I)
Es wurden 83 Maine Coons aus Süddeutschland auf die A31P Mutation getestet. 21,7 % waren im Test positiv, 78,3 % negativ. 83,3 % der genetisch positiven waren im Ultraschall aber phänotypisch negativ. Nur 16,7 % der genetisch positiven Katzen waren im Ultraschall auch wirklich betroffen. Von den genetisch negativen getesteten Maine Coon waren 13,9 % im Ultraschall an HCM erkrankt. Da das Alter der Tiere über 5 Jahre lag, sind die Zahlen sicherlich sehr repräsentativ.

Merke: Nur jede fünfte im Gentest positive Katze war auch herzkrank!

A74T (Gen II)
Hier sind die Zahlen vergleichbar. Die Mutation A74T wurde bei 35,4 % der 79 Maine Coon nachgewiesen.
78,6 % dieser Katzen wiesen in der Echountersuchung keine HCM auf. Andersherum: 76,5 % der an HCM erkrankten Maine Coon-Katzen trugen das gesunde Allel G/G, was darauf hinweist, dass von weiteren oder anderen kausalen Mutationen oder zusätzlichen Einflüssen ausgegangen werden muss.

Merke: Dreiviertel der an HCM erkrankten Katzen waren genetisch unauffällig!

Da der A74T-Polymorphismus (Gen II) des MYBPC3-Gens in dieser Studie wie auch in anderen Erhebungen genauso häufig bei Maine Coon wie bei anderen Katzenrassen vorkommt, kann es sich hier nicht um eine Maine Coon-spezifische Mutation handeln. Zudem gibt es keine Verstärkung des Erkrankungsgrades, wenn A31P (Gen I) und A74T (Gen II) bei einem Individuum gleichzeitig auftreten.
Man kann also davon ausgehen, dass es sich bei der HCM um eine genetisch komplexe Erkrankung handelt.

Herzultraschall
Die Echokardiografie (Herzultraschall) mit ihren verschiedenen Applikationsmöglichkeiten (Doppler, Tissue-Doppler, Strain und Strain/rate) ist die beste Methode, eine Hypertrophie der Herzmuskulatur phänotypisch nachzuweisen. Natürlich gibt es auch andere kardiologische Verfahren, von denen das Abhören des Herzens sehr wichtig ist. Das EKG und die Röntgenuntersuchung sind im Rahmen einer Früherkennung der HCM eher unbrauchbar. Die Ultraschalluntersuchung ist bei Vorliegen einer Hypertrophie sehr sensitiv, kann aber bei Katzen ohne Befund die genetische Belastung und das spätere Auftreten nicht ausschließen.

Merke: EKG und Röntgenuntersuchung sind für die Früherkennung der HCM eher ungeeignet.

Grundvoraussetzung – neben der Erfahrung des Untersuchers – sind Schallköpfe mit hoher Auflösung (7,5-10 MHz) und hoher Bildfrequenz. Die Hypertrophie kann sich als symmetrische und asymmetrische Verdickung der Herzwände und Papillarmuskel darstellen. Fast immer ist nur die linke Herzkammer davon betroffen. Grundlage der Diagnostik ist die Messung der Wanddicke in Diastole, der Herzphase der Muskelerschlaffung. Zunächst wird der Herzmuskel im 2-dimensionalen Bild in mehreren Ebenen beurteilt. Dann folgt eine M-Mode-Messung der diastolischen Wandstärke in den definierten Standardebenen.
Ist die Hypertrophie symmetrisch verteilt, lassen sich die Wandstärkenzunahmen messen und klassifizieren. Grenzwert für eine normale Wanddicke ist 5,5 mm. Zwischen 5,5 und 6,0 mm sprechen wir von einem zweifelhaften (equivocal) Befund. Das hat damit zu tun, dass es in der Literatur zwei verschiedene Empfehlungen für die Normalwerte der Herzwände bei der Katze gibt.

Merke: Schwieriger ist es, asymmetrische (lokale) Hypertrophien der Wände oder Papillarmuskel außerhalb der Standardebenen zu messen und zu klassifizieren. Hier ist insbesondere die Erfahrung des spezialisierten Kardiologen gefragt.

Die Ultraschalluntersuchung des Herzens auf Hypertrophie hat eine sehr hohe Sensitivität. D.h., wenn wir im Ultraschall eine signifikante Wandverdickung sehen, dann handelt es sich um eine Hypertrophie. Die Hypertrophie ist entweder die Folge eines primären genetisch bedingten Defekts (HCM) oder die sekundäre Reaktion auf Blutdruckerhöhung und/oder hormonelle Veränderungen. Die sekundäre Hypertrophie stellt sich fast immer als konzentrische (auf alle Zellen gleichmäßig nach innen gerichtet) symmetrische Verdickung aller Zellen dar.

Empfehlungen für die Gesundheitsvorsorge
Die veterinärmedizinische Genforschung hat trotz respektabler Erfolge es leider noch nicht geschafft, einen Gentest zu bieten, der aus züchterischer Sicht von Wert wäre. Von den Gentesten kann man zurzeit nur die Untersuchung auf die Genmutation I (A31P) empfehlen und das auch nur bei Maine Coon-Katzen aus Familien, die mit der Maine Coon-Kolonie von Dr. Kittleson verwandt sind. Diese Gentests (Gen I und II) bei anderen Katzenrassen, die vermehrt HCM aufweisen (s.o.) durchzuführen, macht keinen Sinn. Für Zuchttiere ist die regelmäßige Ultraschalluntersuchung des Herzens zu empfehlen. Aus juristischen Gründen (§11b TschG) sollte damit vor dem ersten Zuchteinsatz begonnen werden. Danach empfehlen wir eine Wiederholung in 1- bis 2-jährigem Abstand. Die Kontrollabstände hängen vom jeweiligen Ergebnis ab.





Wie erkenne ich eine HCM? Katzen zeigen erst dann klinische Symptome, wenn die Krankheit weit fortgeschritten ist. Symptome sind starkes Hecheln schon bei normaler Belastung, vermehrtes Schlafbedürfnis, Lähmungen und/oder Ohnmachtsanfälle. Die genaue Auskultation ist eine gute HCMScreeningmethode. Verdächtig für eine HCM ist ein zwischen dem 1.–6. Lebensjahr plötzlich auftretendes Herzgeräusch und/oder eine bei der Untersuchung bestehende Herzfrequenz über 240 Schlägen/min. In der Röntgenuntersuchung ist die Größe der Herzsilhouette häufig kaum sichtbar verändert. Aber jegliche Anzeichen von Kongestion (Pulmonalvenendilatation, Lungenödem, Pleuraerguss) lassen den Verdacht der HCM zu. Zur Abklärung der Ursache sollte danach ein Herzultraschall durchgeführt werden

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